· 

Schwimmen oder Unterwasserlaufband? Ein einfacher aber wichtiger Vergleich.

Grundlegend sind schwimmen und laufen ja zwei verschiedene Bewegungsmuster. Deshalb hinkt der Vergleich eigentlich etwas. Doch die Frage, was nun die "bessere" Therapieform sei, wird mir recht oft gestellt. Daher soll dieser Blogbeitrag mal die wichtigsten Unterschiede herausstellen.

 

Vorweg: Jede dieser beiden Therapieformen hat ihre Berechtigung. Aber: Ich bin eindeutig PRO Unterwasserlaufband. "Ha! Klar! Sie haben ja selbst eines in der Praxis stehen." könnte jetzt einer Ihrer Gedanken sein. Tatsächlich bin ich aber PRO Unterwasserlaufband, nachdem ich die Gelegenheit hatte, mit beiden Therapieformen eingehend zu arbeiten. Ich konnte also alle Vor- und Nachteile für mich abwägen und als es letztlich darum ging, welche der beiden Therapieformen ich in meine Praxis integrieren möchte, war meine Entscheidung schnell getroffen. Aber nun mal zu den Unterschieden:

1. Bewegungsmuster

 

Laufen ist laufen und schwimmen ist schwimmen. Es gibt gewisse Ähnlichkeiten, ja. Aber grundlegend ist das Programm, welches im Hintergrund in Nervensystem und Bewegungsapparat abläuft, ein anderes. Bedeutet:

  • Es werden die beteiligten Muskeln anders angesprochen, die kleinen wichtigen Empfänger (Rezeptoren) für die Regulierung der "Stellschrauben" in Muskeln und Gelenkkapseln werden unterschiedlich angesprochen, Gelenke in ihrem möglichen Bewegungsrahmen anders bewegt. Ja, es kommen sogar andere Belastungen auf die Strukturen des Bewegungsapparates zustande!
  • Beispiel: Das Kniegelenk des Hundes kann sich nämlich nicht nur strecken und beugen (Extension und Flektion), sondern auch drehen (Rotation). Es dreht sich der Unterschenkel gegen den Oberschenkel, je nach Rasse unterschiedlich stark. Das wieder ist eine Bewegung, die von den Bandstrukturen des Kniegelenks abgefangen werden muss, allen voran den Kreuzbändern.

Nur mal als Gedanke zum Mitnehmen: Immer wiederkehrende Belastungen führen zu vorzeitigem Verschleiss, führen zu Verletzungen in den Strukturen, führen zu Funktionsverlust. Einfach: Übermäßiges Schwimmen belastet durch sogenannte Scherkräfte die Kreuzbänder im Kniegelenk und kann somit das Risiko für einen Kreuzbandan- und -durchriss erhöhen. Im Umkehrschluss: Hunde nach frischer OP am Kniegelenk sind keine Patienten für das therapeutische Schwimmen.

2. Bodenkontakt der Pfoten

Die Pfoten sind voller kleiner Empfänger für das Nervensystem, sogenannter Rezeptoren. Ähnlich unseren Fusssohlen. Hier werden Informationen über Druck, Temperatur, Berührung, Bodenbeschaffenheit etc. gefühlt und weitergeschickt an das zentrale Nervensystem, die Hauptschaltzentrale, um entsprechend das Bewegungsmuster anzupassen:

Ist der Druck ausreichend, mit der die Pfote aufgesetzt wird, um das Gewicht anteilig zu tragen?

Ist der Boden zu heiß, was zu Verletzungen führen kann?

Sind die Steine zu spitz, was zu Schmerzen führen kann?

Ist diese Bodenunebenheit zu uneben, weshalb die anderen Teile des Bewegungsapparates gegensteuern und ausgleichen, also Muskeln ansteuern müssen um ein Stolpern zu verhindern?

Während des Laufens passieren unablässig viele Dinge im Hintergrund, damit die Bewegung so flüssig und effizient wie möglich abläuft. Ohne Input über die Pfoten, gibt es das so nicht. Beim Schwimmen haben die Pfoten keinen Bodenkontakt. Das Bewegungsmuster "laufen" wird also nicht angesprochen, unterstützt, trainiert, geschult, gestärkt. Und letztlich ist doch genau das das eigentliche Trainingsziel, oder? "Gelenkschonendes Muskeltraining für Patienten mit Arthrose". wird gern so werbeträchtig behauptet. Nachdem das Nervensystem leider etwas zu kurz kommt, schauen wir doch mal, was so in den Gelenken passiert.

3. Gelenkbelastung

Ein Gelenk als bewegliche Verbindung zweier oder mehrerer Knochen besteht aus verschiedenen Strukturen. Hier soll es uns jetzt mal nur um den Gelenkknorpel gehen, der die knöchernen Gelenkflächen überzieht und als Gleitschicht und Puffer dient. Dieser Knorpel ist sehr spannend aufgebaut, aber wichtigster Punkt an dieser Stelle: Wie der Großteil der Körperzellen lassen auch die Knorpelzellen im Laufe des Alters in ihrer Aktivität nach. Es wird also weniger Knorpel gebildet. Grundsätzlich ist Knorpel aber aufbaubar, so lange die zuständige Zellschicht dafür nicht vollends zerstört ist. Und auch wichtig: Knorpel wird nicht durchblutet. Mit dem Blut kommen doch aber Nährstoffe für die Zellen zu diesen hin und Abbauprodukte aus dem Zellstoffwechsel werden abtransportiert. Wie geschieht das nun im Knorpel, wenn dieser nicht durchblutet wird? Im Wachstum geschieht das durch die Blutgefäße in den Knochen. Danach ist die Gelenkschmiere, die Flüssigkeit im Gelenk dafür zuständig. Sie wird von der Gelenkkapsel gebildet und enthält die Nährstoffe sowie die Abbauprodukte. Wenn wir uns nun einen Schwamm in einer Nährlösung vorstellen, kommt das der Ernährung des Knorpels als Vergleich recht nah: Kommt Belastung auf das Gelenk durch Laufen mit vollem Körpergewicht, wird der Knorpel zusammengedrückt, quasi ausgedrückt. Alle Abfallprodukte werde ausgespült. Wird das Bein gehoben, um z.B. einen Schritt nach vorn zu machen, wird das Gelenk minimal auseinandergezogen. Der Knorpel kann sich entlasten und nimmt in dieser geringen Bewegung des Ausdehnens durch den Sog Nährstoffe aus der Gelenkflüssigkeit auf. Wichtige Zusammenfassung aus diesem Roman:

Knorpel wird durch abwechselnde Be- und Entlastung ernährt und zwar über die Gelenkflüssigkeit.

 

Welche im Übrigen je nach Aktivitätszustand des Gelenks gebildet wird. Sprich: Wenig Bewegung, wenig Gelenkschmiere, wenig Ernährung des Knorpels, wenig Aktivität der knorpelaufbauenden Zellen. Wer rastet, der rostet.

 

Und wenn ich nun beim Schwimmen keine Belastung auf den Gelenken habe? Dann habe ich keine Be- und Entlastung im Knorpel, keine Knorpelernährung, etc.

Und was möchte der Patient mit Arthrose? Erhalt bzw. Stärkung des Gelenkknorpels und ausreichend Gelenkschmiere für ein geschmeidiges Bewegen der Gelenke. Bekommt er das während des Schwimmens? Leider nein.

 

Im Unterwasserlaufband haben wir eine Teilentlastung der Gelenke durch den Wasserauftrieb, es muss weniger Körpergewicht getragen werden. Also: Es bleibt eine Restdruckbelastung auf den Gelenken, je nach Wassertiefe 40 - 80%. Der Gelenkknorpel wird weiterhin be- und entlastet und somit ernährt, aber durch das geringere Gewicht fällt es den Hunden leichter, die Gelenke zu bewegen.

UND: Es wird das Laufen als Bewegungsmuster trainiert, das, was die Hunde ja auch an Land tun müssen. Meiner Meinung nach die eindeutig zielführendere Therapieform.

4. Kontrollierte Bewegung und Anpassbarkeit der Therapie

Es gibt im Internet genügend Videos von schwimmenden Hunden. Die allerwenigsten schwimmen "schön". Meint: Gleichmäßige Intensität der Beinpaare vorn/hinten, ausreichendes Bewegungsausmaß der Gelenke, vor allem Hüft- und Kniegelenke, ausreichend Kraft in Rücken- und Bauchmuskeln zum Geradehalten auf dem Wasser.

 

Viele sinken mit dem Po ab, rudern vorwiegend mit den Vorderbeinen, die Hinterbeine werden deutlich weniger eingesetzt, gern auch eine Seite mehr als die andere oder in unregelmäßigem Takt. Kommen Beschwerden am Bewegungsapparat dazu, sind Hunde Meister des Kompensierens. Sprich, sie suchen sich alternative Bewegungsmuster, um die schmerzenden oder eingeschränkten Strukturen zu entlasten. Und so schwimmen sie dann auch. Therapeutisch habe ich auf solche Schummeleien aber wenig bis gar keinen Einfluss. Üblich ist es, die Hunde hinten an der Schwimmweste zu halten, während vorn ein Motivator lockt. Die Hunde sollen so gegen den Zug von hinten stärker mit den Hinterbeinen in die Schwimmbewegung kommen. Ob's funktioniert? Meist nicht zufriedenstellend. Denn selbst wenn stärker im Wasser getreten wird, kann das noch immer mit einem Hinterbein stärker passieren, als mit dem anderen. Dann bleibt mir als Therapeutin eine freie Hand (mit der anderen halte ich ja die Schwimmweste), um die weniger arbeitende Gliedmaße zu stimulieren. Halte ich persönlich für nicht effektiv. 

 

Dagegen im Unterwasserlaufband: Der Hund hat Bodenkontakt, was vielen Hunden ein Sicherheitsgefühl vermittelt. Die Vorderhand läuft stabil, die Hinterhand kann Abweichungen vom "gesunden" Gangbild zeigen wie Instabilität oder Koordinationsschwierigkeiten. Dann kann ich seitlich oder hinter dem Hund arbeiten, mit beiden Händen am Hund, kann das Laufen als Bewegungsablauf unterstützen und führen, kann zusätzlich über Hängevorrichtungen für Stabilität sorgen. Kann das Tempo an das Können anpassen, kann die Wassertiefe an mein Therapieziel anpassen, kann die Laufgeschwindigkeit an Ziel und Können anpassen, kann sogar die Wassertemperatur anpassen (Sportler zum Konditionstraining laufen kühler als Senioren im Muskelaufbau) etc. Ich habe im Unterwasserlaufband viel mehr Stellschrauben, die ich nutzen kann, um die Therapie wirklich effektiv zu gestalten.

5. Schwimmen für alle Rassen?

Von mir gibt es ein klares Nein auf diese Frage. Diese Fotos sind nur beispielhaft für Hunde, die entweder keine Freude am Schwimmen haben, nicht korrekt schwimmen können (was ihnen Unsicherheit, Angst und zum Teil sogar Panik beschert) oder aufgrund ihres Körperbaus schlichtweg nicht geeignet sind zum Schwimmen.

Kleine Hunde sind oft sehr nah mit Nase und Augen an der Wasseroberfläche, was allein schon ein mulmiges Gefühl beschert. Die Halsmuskeln ihrer kurzen Hälse müssen harte Arbeit leisten, um den kleinen Kopf über der Wasseroberfläche zu halten.

Kurznasige Rassen bekommen schon während ihrer alltäglichen Bewegungen zu wenig Luft (Grundsätzlich! Auch wenn sie nicht schnarchen, röcheln oder umfallen vor Sauerstoffmangel!). Die Anstrengung beim Schwimmen ist für viele zusätzlicher Stress, der zu zusätzlicher Atemnot führt. Auch hier sind die Hälse zu kurz, um den Kopf bequem über der Wasseroberfläche zu halten.

 

Das alles kann ich den Hunden ersparen, wenn ich sie im Wasser laufen statt schwimmen lasse. Bodenkontakt gibt Sicherheit, keine Gefahr von Verschlucken oder Wasser in Augen oder Ohren, das Level der Anstrengung kann viel besser an den individuellen Hund angepasst werden. Klares Pro für das Unterwasserlaufband. Mal wieder.

6. Für wen ist das therapeutische Schwimmen denn dann überhaupt sinnvoll?

Wenn es wirklich um Sinn und Unsinn des Schwimmens als Therapie geht, sehe ich das passende Patientenklientel deutlich kleiner:

 

  • Hunde ohne Erkrankungen des Bewegungsapparates und mit gesundem Körperbau zum Konditionstraining und zum Training von Rücken- und Bauchmuskulatur
  • Hunde, die z.B. nach einem Bandscheibenvorfall gelähmt sind, können über den Schwimmreflex unterstützt werden, um wieder Bewegungen anzubahnen. Aber sie sollten dann in ein Lauftraining gehen, da bei ihnen der Input für die Nerven über die Pfoten nochmal viel wichtiger ist, als er für alle anderen Hunde ist.
  • Hunde mit Übergewicht zur Gewichtsabnahme, wenn es der Körperbau und der Bewegungsapparat zulassen

So, ich denke, es ist genug geschrieben. Viele Informationen, die gern sachlich diskutiert werden können. Mein persönlicher Standpunkt ist klar und ich würde mich auch jederzeit wieder für ein Unterwasserlaufband entscheiden statt eines Pools, falls die Entscheidung nochmals anstünde. Und nicht, dass der falsche Eindruck entsteht: Bei mir landet nicht jeder Patient im Unterwasserlaufband. Ganz im Gegenteil. Ich nutze es wirklich gern, aber es kommt doch meist recht weit "hinten" im Therapieverlauf zum Einsatz. Und das hat natürlich seine guten Gründe. Doch dazu gern in einem gesonderten Beitrag mehr.

 

Vielen Dank für´s Lesen und die Aufmerksamkeit!

 

Bei gezielten Fragen stehe ich natürlich sehr gern zur Verfügung.

 

Sandra von SanaVet

Kommentar schreiben

Kommentare: 0